theater


wieder sinn in wiedersinnige bildung

Wieder Sinn

in widersinnige

Bildung

Meisterliche Spinnereien

über Eigen-Sinn,

Bildung und Kultur.


Diese Ausstellung dokumentiert die

Ergebnisse vieler Begegnungen und

Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie soll Mut machen, neue Wege zur  

Entwicklung  schöpferischen  Eigen-Sinns,  als notwendige Voraussetzung einer

gesunden, kulturwirtschaftlichen und

lebbaren Zukunft aller, zu  gehen.


3 Meister  geben

mit „meisterlichen Spinnereien“

den Anstoß,

mögliche neue Wege zu entdecken

und erhoffen sich eine rege Beteiligung

und hörbares Mitdenken !



„Meisterliche Spinnereien“


         Mitwirkende

         Aloys            Aloys Cremers

         Pieter Bruegel d. Ä.             Peter Busch

  Kreis-Schlinspektor Cremer

  im Rheinberg von 1860    Prof. Dr. Henning von Kamptz

         Erzählerin              Mechthild Frölich


01. Die Bühne ist dunkel. Pieter Bruegel malt ein Bild.

      Herr Cremer sitzt in einem Lehnstuhl und liest in einem Buch.“

02. Spot auf Aloys, er sitzt hoch oben auf einer Leiter,

dahinter ist ein Bild  vom Niederrhein aufgestellt.


03  Aloys spricht:

Normal würde ich jetzt anfangen auf meine Art zu reden, und reden.

Viele der Anwesenden hier kennen das: überaktiv und chaotisch,

meistens den Faden verlierend und schlimmer noch, kein Ende findend.

Das, was ich hier heute Abend anstoßen möchte, ist den meisten von uns,

wenn nicht allen, wichtig und deshalb freue ich mich heuteabend sehr

über die meisterliche Unterstützung.

Daher werde ich dann auch zunächst schweigen!


04. Aloys sitzt hoch auf einer Leite.,

      Hinter ihm befindet sich eine große Niederrheinwand.

Während der Erzählung klettert er langsam die Treppe herunter und landet

in einem aufgeblasenen Planschbecken voller alter Schwämme


05. Erzählerin

Ja, am Anfang der 90-er Jahre lässt er sich am Niederrhein absinken.

Ein Niederländer, der sich als „Niederrheiner“ bezeichnet!

Mit „Nichts“ tritt er an, um hier Vieles zu bewegen.

Aloys!

Neugierig nimmt er sein neues Umfeld wahr, sucht Kontakt zu den

Menschen, braucht die Kommunikation und die Auseinandersetzung,

saugt die unzähligen Eindrücke auf wie seine Schwämme die Farben, mit

denen er seine bewegenden Bilder malt.

Er sieht gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhänge,

die sich anderen nicht offenbaren. Vieles dreht sich um Äußerlichkeiten, aber

das, was die Menschen im Innersten bewegt, ihre Empfindungen und

Emotionen, scheinen unbedeutend.

Darüber redet man nicht, jedoch leiden viele umso mehr unter der

Gefühllosigkeit.


06 Zwischenruf von Aloys aus seinem Planschbecken,

Immer wieder begegnet man mir mit Sprüchen wie:  „Ja, in Holland geht das,

ihr seid ja viel lockerer.“ und:  „Hier geht so etwas nicht“.

Alle sind überzeugt von ihrer Unfähigkeit

Natürlich geht das hier auch! Ihr müsst nur an euch selber glauben!


07 Der Leiter der Schule in Rheinberg, Herr Cremer, weist Aloys meisterlich zurück.

Lieber Herr Cremers, das ist doch kein Benehmen! Sie rufen einfach

dazwischen.  Sie sind doch jetzt gar nicht an der Reihe. Ihr Verhalten ist

unmöglich, völlig emotional und undiszipliniert. Haben Sie es denn gar nicht

gelernt, sich an Regeln zu halten? Das haben unsere Kinder aber um 1860 in

der Schule noch beigebracht bekommen.


08.Die Erzählerin fährt fort:

Ja, aber Aloys ist ein Kämpfer, ein Querdenker und sein Adrenalinspiegel

steigt rasch. Heftige Diskussionen und Auseinandersetzungen begleiten

daher unausweichlich seine Arbeit.

Indem er irritiert, motiviert und initiiert er.


Nachdem er anfangs in Kleve wohnte, hat er in Goch ein zweites Domizil

gefunden und zusammen mit Conrad Stüven gründet er 1992 hier

„ArtConaections“.

Hier arbeitet und verarbeitet er seine Eindrücke zuerst in Keramikskulpturen.

In seinen Büchern wird das Wort „Egotionen“ Katalysator seiner Gefühle:

„Selbstschutz gegen oft lähmende Emotionen“.


Für ihn ist es die Möglichkeit Gefühle zu zeigen, Bild werden zu lassen, ohne

sich selbst dabei zu verlieren.

„Motions in emotions, emotions in motion“ heißt kurze Zeit später dann auch

seine Ausstellung in Sonsbeck.


Es ist ihm ein Anliegen, auch bei anderen das Bewusstsein dafür zu schärfen,

dass es unsere Gefühle sind, die uns in Bewegung halten oder bremsen.

Es entstehen die ersten Kontakte nach Rheinberg und von hier nach Duisburg,

wo ein Schlüsselerlebnis im Lehmbruckmuseum ihn davon überzeugt, am

Niederrhein an der richtigen Stelle abgesunken zu sein.


09. Zwischenruf von Aloys,

Ich war fast soweit hier abzuhauen.

Auch müde vom ständigen Auseinandersetzen und Überzeugenmüssen.

        Ich brauchte Menschen, die auch „erfrischend anders“ denken konnten.


        Der Leiter der Schule in Rheinberg, Herr Cremer, weist Aloys wieder meisterlich

zurück.

Was heißt denn da „erfrischend anders“? Man kann nicht immer gegen den

Strom schwimmen. Das kostet zu viel Kraft. Eine gewisse Anpassung muss

jeder schon leisten. Menschen müssen geleitet werden. Wenn man zu sehr

von der Norm abweicht, verunsichert das und gefährdet die bestehende

Ordnung. .


11. Erzählerin

       Doch Aloys lässt sich nicht beirren. Ständig am Niederrhein unterwegs,

sammelt er immer mehr Eindrücke und Erfahrungen.

Die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Kultur, Gesellschaft und

Geschichte der Niederrheiner und des Niederrheins bestätigen ihn in seinem

Denken und Handeln.

Hier spürt er seine Wurzeln und entwickelt visionäre Ideen, deren Realisierung

in der Zukunft immer greifbarer wird. So heißt dann auch der Titel seiner

Ausstellung in Kevelaer „Zusammenhänge“. Nicht nur buchstäblich gelingt es

ihm hier, mit „Nichts“ Menschen zu bewegen.

Spätestens von diesem Zeitpunkt an ist Aloys aus der niederrheinischen

Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken.


Von Ihm angeregt trauen sich immer mehr Niederrheiner, sich gegen die

geistige Stagnation aufzulehnen.

Bewegungen wie „KUHnst“ in Geldern und Initiativen wie das „Blauhaus“ in

Xanten sind mittlerweile feste Kultursäulen am niederrheinischen

Kulturfirmament. Und Aloys.......


12..  Hier unterbricht Aloys das Geschehen.

Ja, es passiert immer mehr und immer mehr bewegt sich von selbst.

Viel Angestoßenes wird so zum Selbstläufer.

Mittlerweile habe ich auch bemerkt, dass immer mehr Menschen mit mir

arbeiten möchten. Es ist meine Offenheit und meine etwas andere Art an

Sachen heran zu gehen, die überzeugt.

Und mein bis dann verstecktes Talent, das Talent von anderen zu entdecken

und den Eigen-Sinn zu fördern, therapiert selbst Therapeuten.


13.  Cremer will wissen, wie das denn zu verstehen ist.

Klingt das nicht nach ein bisschen Selbstüberschätzung? Was meinen Sie

damit, dass Sie Therapeuten therapieren?


14. Aloys antwortet:

ich arbeite aus dem Bauch heraus, ohne zu wissen, was entstehen wird.

Man muss bereit sein zu akzeptieren, dass das Resultat nicht nur den

Betrachter, sondern auch sich selbst überrascht. Was du kannst kann Keiner,

was du willst haben andere schon längst gemacht!

Das Kind in sich wieder zu entdecken, das Authentische, die eigene

Handschrift und den Eigen-Sinn zuzulassen: das ist wichtig!


15. Erzählerin

Ja, Aloys lässt die Erwachsenen wieder das Kind in sich entdecken. Es ist ihm

wichtig, dass sie die verlorene Spontaneität und Neugierde kindlichen

Handelns neu entdecken, um zu erfahren, welche Fähigkeiten und Talente in

ihnen stecken.

Immer mehr beschäftigt ihn die Frage, warum es notwendig ist, diese

Erfahrungen neu zu erlernen: „Warum wird ist es den Kindern genommen?“

„Verdienen Menschen es, verDINt zu werden?“

Seine Erfahrungen und sein erfolgreiches Arbeiten mit Sonderschülern,

geistig behinderten und hochbegabten Schülern bestätigen ihm immer

wieder die Notwendigkeit, den schöpferischen Eigen-Sinn jedes einzelnen zu

fördern.


16. Aloys

Ja, deshalb setze ich mich besonders ein für die Förderung der individuellen

Kreativität.

Denn in jedem steckt eine Menge Eigen-Potenzial und das brauchen wir in

Zukunft. Reformen im Bereich Bildung und Schule müssen gerade das

berücksichtigen.


Unzählige Auseinandersetzungen mit Lehrkräften, Eltern und Erziehern

bestätigen mir immer wieder den Willen zur Veränderung. Alle Kinder sollen

die Chance haben, sich zu gesunden und starken Persönlichkeiten zu bilden.

Deshalb möchte ich diese Lehrer, Eltern und Erzieher erreichen.

Nur wenn sie den Mut zum Experimentieren haben, nur wenn sie angstfrei

das Eigene entdecken, zulassen und annehmen können, können sie offen

sein für den Eigen-Sinn anderer.

Erst wenn ihr über euch selbst staunen könnt und erfahren habt, dass viel

mehr in euch steckt als ihr jemals geglaubt habt, könnt ihr auch den Kindern

Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen.

Ich rufe alle auf, sich für eine erfolgreiche Umsetzung einzusetzen.


17. Herr Cremer greift ein:

Langsam, langsam! So einfach geht das nichtSchule muss das Interesse der

Allgemeinheit und nicht das individuelle Interesse im Auge haben. 

Wir können nicht jeden einzelnen machen lassen, was er möchte. Was nutzen

tarke Persönlichkeiten, die an der Realität scheitern? Wir müssen eine

Orientierungsmöglichkeit geben. Die grenzenlose Freiheit des einzelnen muss

durch die notwendigen Zwänge des Zusammenlebens begrenzt werden.

Wie wollen Sie diesen Konflikt lösen?


18. Aloys antwortet:

Lösungen haben keine Form und keine Farbe. Rangehen, mit gesundem

Eigen-Sinn, selbstsicher und selbstbewusst, ohne Angst vor neuen und

unkonventionellen. Lösungen sowie Bildung mussen sich bilden können.

Und wer macht keine Fehler?

Woraus entstanden die meisten, auch die lebensrettenden Erfindungen?


19. Aloys ermutigt das Publikum ihr kollektives Wissen gemeinsam auszusprechen:

Ja Genau: Aus Fehlern!

Mein bekanntester Spruch lautet daher immer:

Egal was passiert, es kann immer noch ein Huhn werden!

Aber Schwamm darüber...:


20. Aloys wirft die Schwämme in die Luft und sagt:

Lasst uns doch mal spinnen.,

über affektu-sensomotorische Erfahrungen zum Beispiel.


21.Herr Cremer:

Über was? Das ist ja ein abenteuerliches Wort. Ist das neues Latein,

nicht Jäger-, sondern Cremers-Latein?


21.Aloys:

Für mich war es Schiffer-Latein, nach dr. Schiffer, der mich auf diese Idee bracht.

Nehmen Sie zum mein „Kleckern“ Beispiel. Das vermittelt auch

affektu-sensomotorische Erfahrungen, d. h. Sinneswahrnehmungen pur.

Alle Sinne sind gefordert.

Sich auszudrücken, mit Händen, Fingern und Schwämmen, Farben knetend,

den Malgrund spürend, spontan reagierend auf das, was vor dir entsteht.

Unbefangen, malen und gegenmalen.

Das Endergebnis ist immer überraschend: es macht Mut!


22.Herr Cremer:

Das ist schwer zu verstehen.  Es kann doch nicht nur um Gefühle und

schöpferisches Tun gehen. Muss nicht auch eine solide Grundlage vermittelt

werden? Man kann nicht immer nur alles ausprobiert werden.

Es müssen auch Techniken vermittelt werden.


23.Aloys:

Ist Mut nicht die beste Grundlage für alle Unternehmungen. Sich trauen?

Wieder Kind, ursprünglich zu sein und auf dieser Basis weiterbauen.

Sie kennen doch meinen Kollegen Pieter Bruegel?


24.Herr Cremer:

Den Jüngeren oder den Älteren? Welchen von beiden meinen Sie?


25Aloys:

Ich glaube es ist der Ältere, jedenfalls was die Größe angeht, ist es der Längere.


26.Bruegel schaltet sich ein:

Sprecht ihr von mir?


27Aloys,

Ja, aber mehr noch geht es mir um ein Bild von dir, das mit den vielen

spielenden Kindern.  Zeige das doch mal und erzähle uns, weshalb du all

diese spielenden Kinder darstellst?


28.Bruegel: 

Die Kinder und ihre Art zu spielen sind in meinem Werk ein zentrales Thema.

Ich habe ungefähr 230 Kinder gemalt, die ca. 80 verschiedene Spiele spielen.

Nur die kindliche Fantasie ermöglicht diesen scheinbar unerschöpflichen

Reichtum. Den Kindern ist die ganze Stadt überlassen.

Der Hauptplatz mit dem Rathaus, die große Straße und – für die ländlichen

Spiele – der Außenraum mit Wiese, Bäumen und Fluss.

In dem unerschöpflichen Treiben wiederholt sich nichts.

Vielleicht erkennt ihr einige der Spiele?


29.Aloys:

Damals, 1560 herum,  spielten die Kinder also die gleichen Spiele,

wie ich sie aus meiner Jugend noch kenne.


30.Bruegel:    

Ja, es ist wichtig, dass Kinder spielen können. Dabei können sie sich ihre

eigenen Aufgaben stellen. Alle Sinne sind gefragt, sie können sich ins Reich

der Fantasie absinken lassen.. Mir war es wichtig, diese lebhafte und

fantasievolle Welt des Kindes zu zeigen, die ohne die bevormundende und

verdrehte Art der Erwachsenen bestens auskommt.


31.Herr Cremer:    

Ja, zu meiner Zeit, um 1860 herum, haben wir auch ähnliche Spiele gespielt.


32.Aloys:   

In meiner Jugend, 1960 herum, tobten wir auch ungestört über Wiesen

und durch Straßen.

Ich erinnere mich allerdings, dass wir uns ab und zu von den Bildern aus

rechteckigen Kästen zum Stillsitzen verführen ließen.


33.Herr :

Ja, und was spielen die Kinder heute?


34.Aloys:

Heute verpassen sich die Kinder freiwillig tagelangen Stubenarrest.  Bewegung

ist out und Kommunikation auf unverzichtbare Kürzel reduziert. 

Kuh, Esel, Ziege und Schwein dürfen nur noch in Begleitung eines Therapeuten

gestreichelt werden. Wenn man nie im Heuhaufen gespielt, getobt oder sonst

was gemacht hat, weiß man nicht, wie es kitzelt, sich anfühlt und riecht.


35Herr Cremer:

Und das hat etwas mit affektu-sensomotorischem Erfahren zu tun?


36Aloys:

Affektu-sensomotorisches Entdecken ist ungeheuer wichtig. Nur wenn ich

Dinge komplex erfahre, d. h. mit mehreren Sinnen wahrnehme, kann ich mich

daran dauerhaft erinnern und fantasievoll damit umgehen. Das zeichnet mich

aus. Nur so können sich Eigen-Sinn und schöpferische Kreativität entwickeln.


37.Herr Cremer:

Aber braucht man nicht ein paar Vorgaben und Richtlinien?


38.Aloys:

Warum muss man sich in uniforme Schablonen pressen lassen?

Schablonen sind tödlich. Sie machen das Leben und Bewegen unmöglich.

Sie hinterlassen unflexible Einheitswürste ohne Zukunft  Das ständige sich

Anpassen und Verdrehen macht viele krank. Psychosomatisch!


39Herr Cremer:

Aber die heutige Medizin ist doch viel weiter als sie es zur Zeit

Robert Kochs war!


40Aloys:

Damals waren Sie doch gut im Rechnen? Lassen Sie mich Ihnen vorrechnen,

was meine affektu-sensomotorische Gleichung bringt!


41.Aloys entwirft sein visionäres Bild!




42.Herr Cremer:

Ja, wenn das so wäre........!.


(Aloys Cremers und Mechthild Frölich)